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KOMMENTAR KLARA LÖFFLER


zu den Inputs Regina Wonisch, Oliver Hochadel und Marie Glaser
Workshop „Kritik der Praxis. Praxis der Kritik“, 30. September 2005

„Was für mich ein ganz wichtiger Ausgangspunkt dieses Workshops war, dass nämlich eine Kritik der Kritik extrem notwendig ist, das hat sich in allen drei Beiträgen bestätigt. Diese Kritik der Kritik ist auch deshalb notwendig, damit – durchaus pathetisch formuliert –, damit das Projekt der Aufklärung überhaupt durchzusetzen ist, ob im wissenschaftlichen aber eben nicht nur im wissenschaftlichen Bereich. Um dieses Projekt in Gang zu halten oder überhaupt wieder anzustoßen, braucht es diese Kritik der Kritik. Was mir jetzt aufgefallen ist – und ich gehe dann noch näher darauf ein, was ich im Einzeln damit meine –, dass es letztlich in allen drei Beiträgen die um die Kritiker ging.

 

Regina Wonisch (Zur Sprache bringen – Ausstellungskritik an den Rändern der Wissenschaft und journalistischer Praxis) hat in ihrem Beitrag damit angesetzt und schließlich immer mehr auf die Kritiker fokussiert, auf die Profession der Ausstellungsmacher, das Selbstverständnis der Ausstellungsmacher. Zunächst ist sie von der Beobachtung ausgegangen, dass in der Ausstellungskritik ein deutlicher Akzent auf inhaltlichen Fragen liegt; weniger geht es um die Ausstellung als artifizielles Moment und als Inszenierung. Sie hat das an Medienbeispielen aufgehängt und diese waren dann auch Teil der Diskussion.

Ein ganz wichtiger Diskussionspunkt ist sicherlich gewesen, wie weit und wie die Professionalität, das professionelle Selbstverständnis der Ausstellungsmacher wiederum den Blick auf ihre Ausstellungen formiert oder mitbestimmt. Dieses Problem können wir wahrscheinlich auch im Weiteren noch nicht auflösen, aber ich denke, dass man es weiter mitnehmen und mitbedenken sollte.

Eine weiteres Thema, das womöglich im Rahmen der kommenden Beiträge noch einmal aufzugreifen ist: Warum gibt es eine sehr etablierte, sehr weitreichende Kunstkritik und Kunstkritiker, die namhaft gemacht werden? Kunstkritiker jetzt im weitesten Sinne des Wortes – ob das in der Literaturkritik ist, Theaterkritik oder ähnliches. Und warum sieht das in Zusammenhang mit den kulturgeschichtlichen, kulturwissenschaftlichen Ausstellungen tatsächlich ganz anders aus? Diese Fragen, denke ich, sollte man auf jeden Fall präsent halten. Auch in der Hinsicht, ob eine Möglichkeit in Richtung einer Beantwortung lauten könnte, dass die Ausstellung (und zwar vor allem die kulturwissenschaftliche Ausstellung) ein Medium ist, das nicht in dem Maße etabliert im Kulturbetrieb ist, wie es zum Beispiel eine Kunstausstellung oder wie es der Theaterbetrieb ist oder letztlich auch der Kinobetrieb. Also das Maß in dem eine Profession bzw. auch ein Medium oder ein Produkt in einer Gesellschaft etabliert ist, das sollte man durchaus mitdenken in Hinblick auf eine sehr ausgereifte, entwickelte oder eben eine noch eher wenig entwickelte, wenig avancierte und wenig etablierte Kritikform.

 

Noch deutlicher waren die Kritiker dann bei Oliver Hochadel Thema („Wissenschaftskritiker“). Seine Kritiker, Wissenschaftler und/oder als Journalist – sie changieren, bewegen sich dazwischen – befinden sich in einem Spannungsfeld. Oliver Hochadel identifizierte vier problematische Eckpunkte dieses Spannungsfeldes: das Problem der Nähe, das Problem der Kenntnis oder der Unkenntnis spezifischer Sachverhalte und Disziplinenzusammenhänge, das Problem der Macht, da spielt auch noch einmal das Problem der Nähe mit hinein, und schließlich die Grenzen und Möglichkeiten der Kritik. Aber ich denke, gerade an diesem letzten Punkt der Grenzen und Möglichkeiten sollten wir noch einmal überlegen, in wie weit es sich dabei nicht um Grenzen der Kritik sondern um die Grenzen des Kritikers/der Kritikerin handelt. Da müsste man sich noch einmal genauer und im Einzelnen den Sachverhalt ansehen.

In den Beiträgen ging es, wie gesagt, sehr stark um die Kritiker, um deren Selbstverständnis, deren Selbstdefinitionen und deren Identitätsmodelle. Das sollte eben nicht letzthin mit der Kritik gleichgesetzt werden und vor allem nicht mit den Möglichkeiten der Kritik.
Zum Beispiel in Bezug auf Wissenschaftsjournalisten bzw. Wissenschaftskritiker aus dem journalistischen Bereich: Da sind Sätze gefallen wie, „Es wird das ausgewählt, was relevant ist, was interessant ist“. Das sind natürlich ganz klar Maßstäbe, die hier vom Kritiker in der Auswahl gesetzt werden. Diese Maßstäbe setzt er nicht alleine, die setzt er in sehr enger Wechselbeziehung mit dem was angeblich Gesellschaften wollen – und das sind ja einzelne Personen und einzelnen Gruppen, die da Vorstellungen entwickeln, was für eine Gesellschaft relevant ist. Allein der Begriff „Anschlussfähigkeit“ ist da ja wunderbar. Genau an diesem Punkt kommt die Frage nach dem Politischen ins Spiel. Das heißt, in wie weit ist Kritik nicht Ausdruck, auch Instrument, hegemonialer Diskurse. Es geht nicht darum, zu behaupten, dass, zum Beispiel, Wissenschaftsjournalisten erst Trends setzen, aber in Anbetracht der Wechselwirkung, in der sich verstärkenden Wechselwirkung verschiedener Medienangebote, ist es enorm wichtig, hier die Machtfrage zu stellen. Zumal vor dem Hintergrund, dass der Selbstanspruch – wenn ich das richtig verstanden habe – durchaus ein hoher ist, der Begriff des Aufklärerischen gefallen.

 

Bei Marie Glaser schließlich ging ganz stark um Kritik als professionelles Paradigma (Architektur und Kritik – Kritik der Architektur. Wer Wozu Wie). Und es ging, und das wurde im Lauf des Beitrags immer deutlicher, um Kritik als zentrales soziales Ritual. Der Aspekt der Selbstbestrafung, der einen Heldenmythus stützt, wurde in der Diskussion noch einmal aufgegriffen. Solche und ähnliche Aspekte der Ritualisierung fand ich sehr wichtig; auch deshalb weil Kritik, das wurde immer wieder betont, nicht nach bestimmten Maßstäben funktioniert, nicht nach vorhersehbaren Maßstäben.

 

Die Kriterien der Kritik werden sozial gebildet und zwar relativ stark in Reaktion auf die – mitunter unmittelbare soziale Situation – etwa, wie gezeigt, in der intraprofessionellen Architekturkritik. Wobei wir unbedingt hinterfragen sollten, inwieweit Kritik intraprofessionell bleibt. Ich habe mich gefragt, wo eigentlich die Kritik bleibt – die Kritik und deren Funktion. Das schließt ein, zu beachten, für wen kritisiert wird. Insofern ist die Frage nach den Kritikern wichtig, um ihre Funktionen besser einschätzen zu können. Um zu analysieren, wie hier instrumentalisiert wird, welche Aufgaben Kritik in einem spezifischen sozialen Zusammenhang erfüllt. Auch das ist in der Diskussion mehrfach aufgetaucht – zum Beispiel als: Wer ist das Publikum? Wie geht das Publikum mit den Interventionen um? Oliver Hochadel hat das in seinem Input angeschnitten und am Ende den Selbstanspruch und die Idee, was Wissenschaftsjournalismus leisten kann, sehr eingeschränkt, indem er gesagt hat, dass es wahrscheinlich ein sehr eingeschränktes Publikum ist, für das er arbeitet.

 

Also – um es noch einmal zusammen zu holen:
- Für wen wird hier Kritik geübt, vor welchem Hintergrund?
- Bleibt Kritik wirklich eine intraprofessionelle Angelegenheit? Bleibt sie wirklich in einem engeren, ja, auch machtpolitischen Zusammenhang funktional oder geht die Kritik über bestimmte Kreise hinaus?
- Zielt die Kritik auf ein breiteres Publikum? Und mit welchem Erfolg kommt sie dort an? Für wen wollen wir Kritik leisten und für wen leisten wir sie faktisch?

 

Diese Fragen würde ich gerne für die Diskussion der kommenden Beiträge allen ans Herz legen. Weil sie sich bei den verschiedensten Formen und Genres der Kritik stellen. Ich nenne noch einige weitere Aspekte, die mir aufgefallen sind und wo ich es interessant fände, am Nachmittag noch weiter darauf einzugehen:
- Zum ersten der Verweis darauf, bei Kritik genau zu sein und zu überlegen, was der Begriff Kritik in einem spezifischen professionellen und/oder alltagskulturellen Zusammenhang meint. Zu differenzieren ist für die Diskussion immer wichtig: Was meinen wir jetzt damit und was bedeutet das?
- Weiters – es ist in der Diskussion gefallen – interessant wäre, zu untersuchen, ob es Bereiche gibt, die der Kritik gänzlich unzugänglich sind.
- Und eine letzte Beobachtung, die bei Regina Wonisch bereits angesprochen wurde, dass Kritik – eine Ausstellungskritik zum Beispiel – oft nur als Aufhänger fungiert und der eigentliche Text ein anderer ist. Das Genre Kritik öffnet manchmal für andere Texte die Tür; bestimmte Themen sind leichter einzuführen, wenn man sie zunächst einmal unter dem Label Kritik laufen lässt.

 

Wie wir in professionellen Zusammenhängen Formen der Kritik entwickeln, hängt eng damit zusammen, dass wir in unseren Alltagen permanent von Kritik umgeben sind: die tägliche Dosis Kritik ... Bei Michael Rutschky gibt es das schöne Wort von der „Meinungsfreude“, er spricht von der Folkloreform Kritik. Wissenschaftsdiskurse, professionelle Diskurse, die müssen wir in der Analyse sehr viel enger an den Alltagen, an Alltagstheorien und an der Tatsache orientieren, dass Kritik ein Teil der alltäglichen Kommunikation und des alltäglichen Erzählens ist, sehr konkret.“


(Transkript Nikola Langreiter)

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