Katharina Heimerl (iff Wien) In der Interventionsforschung geht es um die Reflexion (Kritik) der eigenen Praxis, sowohl beim Praxispartner als auch bei Forschungspartner. Zunächst liegt es nahe, die Verknüpfung der beiden Begriffe Kritik und Praxis so vorzunehmen: Es geht um die Kritik der Wissenschaft an jemand anderes Praxis, im Fall der Abteilung Palliative Care der IFF geht es um die Kritik am Umgang des Krankenhauses oder des Pflegeheimes mit schwerkranken und sterbenden Menschen, oder anders ausgedrückt um die Frage, was es dazu braucht, um menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen. Die Deutungshoheit liegt bei der Wissenschaft. Und genau hier setzt in unserem Fall die Kritik der Praxis an der Wissenschaft ein: Die „Bettenlosigkeit“ der Abteilung Palliative Care der IFF wird von der sogenannten Praxis kritisiert. Weil wir nicht am Krankenbett arbeiten, stehe uns ein Urteil über die Praxis in Palliative Care nicht zu. Daher die Frage: Gibt es eine Praxis der Kritik? Ist die Interventionsforschung praktizierte Kritik? Ist kritisieren auch eine Praxis, so wie pflegen, behandeln oder begleiten? Erwächst aus der Praxis der Interventionsforschung „das Recht“, die Praxis des Behandelns, Begleitens und Pflegens zu kritisieren? Der Weg führt einerseits über die Anerkennung. Kritik ist die eine Seite der Medaille auf der anderen steht Anerkennung, oder „Erkundung der Ressourcen“. Kein Workshop zum Thema „menschenwürdiges Sterben“ kann beginnen ohne eine solche Wertschätzung dessen, was im Krankenhaus, im Pflegeheim oder in der Betreuung zu Hause bereits getan wird für schwerkranke und sterbende Menschen. Der zweite Teil des Weges führt über die Anleitung zur Selbstbeobachtung, Selbstreflexion oder Selbstkritik. Wissenschaft – im Sinne von Interventionsforschung - hat hier vor allem eine prozessgestaltende Aufgabe. Es geht darum, die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu versammeln – das heißt geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen und dort dann die richtigen Fragen zu stellen, die es den „Praxispartnern“ ermöglichen, sich kritisch mit ihrer eigenen Praxis auseinander zu setzen. Dies führt uns zum zweiten Punkt der Kritik der Praxis an der Wissenschaft: Als Wissenschafterinnen müssten wir doch wissen, wo es lang geht. Wir müssten doch ein ganzes Repertoire von abgeschlossen, wissenschaftlich evaluierten Projekten zur Verfügung haben, quasi jeweils ein passendes Projekt für jede Problemlage des Praxispartners. Das prozessorientierte Arbeiten des IFF-Palliative Care wird auch als Verweigerung von Wissen gedeutet. Aus dem gesagten ergeben sich die Anforderungen an die Praxis der Kritik in der Interventionsforschung: Soll die Kritik gelingen, so sind die folgenden drei Eigenschaften die wichtigsten ihrer Praxis: Prozesskompetenz, Ressourcenorientierung und Bereitschaft zur Selbstkritik. Damit komme ich zu jenen Fragen, die für mich offen sind: Können wir mit unserer akademischen Sozialisation den Gegenstand Interventionsforschung (als Praxis der Kritik im oben genannten Sinne) weiterentwickeln? Welche Sozialisation braucht es, um „konstruktiv“ mit Kritik umzugehen? Welche „interdisziplinäre Verstörtheit“? Welche Hilfestellung bietet die Praxis der interdisziplinären Zusammenarbeit für die Praxis der Kritik? Wenn Selbstanwendung eine Voraussetzung für das Kritisieren ist, welche Praxis der Kritik braucht es dann im interdisziplinären Forscherteam.
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